Die europäische Energiewende in Richtung erneuerbarer und dekarbonisierter Gase wie Wasserstoff ist in vollem Gange. Doch auf dem Weg zur Verwirklichung dieses ehrgeizigen Ziels stehen einige wichtige Fragen im Raum. Eine dieser Fragen betrifft die Finanzierung der Gasinfrastruktur der Zukunft und die Rolle der Netzbetreiber bei deren Aufbau und Wartung.
Im Dezember 2021 präsentierte die Europäische Kommission ihr «Marktpaket für Wasserstoff und dekarbonisierte Gase», das den Weg für den Übergang Europas zu CO2-armen Kraftstoffen ebnen soll. Dieses Paket legt den Grundstein für die Produktion von 10 Millionen Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen bis 2030 in Europa und den Import derselben Menge.
Angesichts des wachsenden Interesses und der Ankündigung zahlreicher Wasserstoffprojekte fordern Marktteilnehmer klare EU-weite Regeln, um Investitionen in die Versorgungs- und Transportinfrastruktur zu gewährleisten.
Maxime Peeters, der das Wasserstoffprogramm des Hafens von Antwerpen-Brügge in Belgien leitet, betont die Bedeutung von Wasserstoffknotenpunkten für die Infrastruktur. Belgische Behörden planen, den Hafen von Antwerpen-Brügge bis 2026 an eine Wasserstoffpipeline anzuschliessen und die Verbindungen zum Wasserstoffnetz in Deutschland und anderen Nachbarländern bis 2028 zu erweitern.
Allerdings stellt sich auf der Nachfrageseite ein Problem dar. Die Wirtschaftsprobleme in der chemischen Industrie, einem der Hauptabnehmer von sauberem Wasserstoff, könnten die kurzfristige Nachfrage beeinträchtigen. Die Kostenlücke zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach grünem Wasserstoff muss geschlossen werden, um die Industrie dazu zu ermutigen, in diesen teuren grünen Kraftstoff zu investieren.
Während Europa weiter an der Fertigstellung seines Marktpakets für Wasserstoff und dekarbonisierte Gase arbeitet, warten Investoren ab. Aktuell warten 32 Wasserstoffpipeline-Projekte mit einer Länge von 20.000 Kilometern auf Genehmigung. Doch die regulatorische Unsicherheit verzögert die Investitionsentscheidungen.
Eine der größten Unsicherheiten betrifft das Vergütungsmodell zur Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur. Ursprünglich sah der Vorschlag der Europäischen Kommission die Abschaffung grenzüberschreitender Tarife für den Wasserstofftransport vor, da diese den Handel zwischen den EU-Ländern behindern könnten.
Der Vorschlag zur Abschaffung grenzüberschreitender Netzentgelte wird jedoch von ENTSOG, dem Verband Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber für Gas, abgelehnt. Sie argumentieren, dass dies zu einer erheblichen Komplexität für die Pipelinebetreiber führen würde, ohne die Kosten für die Verbraucher zu senken.
Klaus-Dieter Borchardt, ein ehemaliger hochrangiger Beamter der Europäischen Kommission, ist ebenfalls gegen die Abschaffung der grenzüberschreitenden Gebühren. Er betont, dass die anfallenden Gebühren lediglich die Kosten für Investitionen in die Infrastruktur und den Transport von Wasserstoff von einem Netz zum anderen widerspiegeln. Die Abschaffung der Entgelte würde die Betreiber dazu zwingen, die Kosten auf die Ein- und Ausspeisetarife zu verlagern, was neue Verhandlungen und Regelungen erfordern würde.
Die Frage der Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur bleibt also komplex und umstritten. Es ist eine Debatte, die nicht nur zwischen den EU-Institutionen, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten und der Industrie geführt wird. Die Entscheidungen in dieser Angelegenheit werden erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft der europäischen Gasinfrastruktur und den Übergang zu erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen haben. Besonders, wenn die grössten Abnehmerindustrien gleichzeitig überlegen, ihre energieintensiven Anlagen in das Ausland zu verlagern.