Der US-amerikanische Erdgasmarkt befindet sich im Wandel, wie aus den aktuellen Prognosen der U.S. Energy Information Administration (EIA) hervorgeht. In ihrem neuesten Short Term Energy Outlook (STEO) von Oktober 2023 stellt die EIA fest, dass die Erdgasproduktion in den Vereinigten Staaten im Jahr 2024 erstmals seit 2020 wieder rückläufig sein wird, während die Nachfrage ein Rekordhoch erreicht. Gleichzeitig ändern sich auch die Dynamiken auf den internationalen Exportmärkten für Flüssigerdgas (LNG) und im Bereich der Kohleproduktion.
Rückgang der Erdgasproduktion
Die Erdgasproduktion in den USA hat in den letzten Jahren mehrere Rekordhöhen erreicht. Für das Jahr 2023 erwartet die EIA eine Trockenproduktion von 103,8 Milliarden Kubikfuss pro Tag (bcfd), die damit die höchste jemals verzeichnete Produktionsmenge darstellt. Doch diese Wachstumsphase scheint sich 2024 dem Ende zuzuneigen: Die Produktion soll leicht auf 103,5 bcfd sinken.
Gründe für den Produktionsrückgang
Dieser Rückgang der Erdgasproduktion ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Eine der Hauptursachen ist die Reduktion der Bohraktivitäten durch einige Produzenten. Diese Entscheidung ist eine direkte Folge des massiven Preisverfalls im Erdgasmarkt im Frühjahr 2023. Im März 2023 erreichten die monatlichen Spotpreise am Henry Hub, dem wichtigsten Erdgas-Preisindex der USA, den tiefsten Stand seit 32 Jahren. Solche Preisrückgänge machen es für Produzenten oft unprofitabel, weiterhin auf hohem Niveau zu fördern.
Wie in vielen rohstoffbasierten Industrien ist auch im Erdgasmarkt die Rentabilität stark von Angebot und Nachfrage abhängig. Übersteigen die Produktionskosten die Einnahmen, sind Unternehmen gezwungen, ihre Aktivitäten einzuschränken, um Verluste zu vermeiden. Ein Beispiel für diese Dynamik ist die Erdölindustrie, in der Organisationen wie die OPEC ins Leben gerufen wurden, um Preise und Fördermengen zu regulieren. Auch in der Erdgasindustrie führen instabile Marktbedingungen und sinkende Preise dazu, dass Unternehmen ihre Förderpläne kontinuierlich anpassen müssen.
Prognosen für 2025
Trotz des vorübergehenden Produktionsrückgangs im Jahr 2024 erwartet die EIA, dass die Erdgasproduktion im Jahr 2025 wieder zunehmen wird. Laut den neuesten Schätzungen soll die Förderung auf 104,6 bcfd steigen, was wiederum eine Rekordhöhe darstellen würde. Diese Erholung wird unter anderem durch eine erwartete Stabilisierung der Preise und eine steigende Nachfrage sowohl auf dem heimischen als auch auf dem internationalen Markt unterstützt.
Anstieg der Erdgasnachfrage
Während die Produktion im Jahr 2024 leicht sinken wird, wird die Nachfrage nach Erdgas in den USA voraussichtlich weiter steigen. Nach den Rekordwerten von 89,1 bcfd im Jahr 2023 soll der heimische Erdgasverbrauch 2024 auf 90,1 bcfd anwachsen. Dies wäre das vierte Jahr in Folge mit einer gestiegenen Nachfrage – eine Entwicklung, die seit 2016 nicht mehr zu beobachten war.
Diese Zunahme der Nachfrage spiegelt mehrere Trends wider, darunter die verstärkte Nutzung von Erdgas als Energiequelle, um den Übergang von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen zu unterstützen. Erdgas wird als „Brückenenergie“ angesehen, die dabei helfen soll, den Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung zu ebnen, da es im Vergleich zu Kohle weniger CO₂-Emissionen verursacht.
Internationale LNG-Exporte: Wachstum und Zukunftsperspektiven
Die steigende Nachfrage nach Erdgas ist jedoch nicht auf den US-amerikanischen Binnenmarkt beschränkt. Auch auf den internationalen Märkten, insbesondere im Bereich der Exporte von verflüssigtem Erdgas (LNG), wächst die Bedeutung der USA als wichtiger Akteur.
Prognosen für die LNG-Exporte
Für das Jahr 2023 erwartet die EIA, dass die US-amerikanischen LNG-Exporte ein Rekordniveau von 11,9 bcfd erreichen werden. Dieser Trend soll sich in den kommenden Jahren fortsetzen: Für 2024 wird ein weiterer Anstieg auf 12,1 bcfd erwartet, und 2025 soll die Exportmenge sogar auf 13,8 bcfd steigen.
Die USA haben sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit führenden Exporteure von LNG entwickelt. Diese Entwicklung wird durch die gestiegene Nachfrage nach Erdgas auf globaler Ebene unterstützt, insbesondere in Europa und Asien, wo Erdgas als wichtige Energiequelle für die Dekarbonisierung der Energieversorgung angesehen wird. Der wachsende LNG-Exportmarkt stellt daher eine bedeutende Chance für die USA dar, ihre Energieexporte weiter auszubauen und die heimische Produktion auch in Zeiten schwankender Preise zu stützen.
Rückgang der Kohleproduktion
Während Erdgas auf globaler Ebene immer wichtiger wird, geht die Bedeutung der Kohle als Energiequelle weiter zurück. Die EIA prognostiziert, dass die Kohleproduktion in den USA im Jahr 2024 auf 510 Millionen Tonnen sinken wird – der niedrigste Wert seit 1964. Dieser Rückgang wird durch den verstärkten Einsatz von Erdgas und erneuerbaren Energiequellen in der Stromerzeugung verursacht, die zunehmend Kohlekraftwerke verdrängen.
Für das Jahr 2025 wird ein weiterer Rückgang der Kohleproduktion auf 484,6 Millionen Tonnen erwartet, was den niedrigsten Stand seit 1963 darstellen würde. Dieser anhaltende Rückgang ist Teil eines globalen Trends weg von Kohle und hin zu saubereren Energiequellen, der sowohl durch regulatorische Maßnahmen als auch durch technologische Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien unterstützt wird.
CO₂-Emissionen: Veränderungen durch den Energiewandel
Im Zuge des Übergangs von fossilen Brennstoffen zu saubereren Energiequellen verändern sich auch die CO₂-Emissionen in den USA. Die EIA prognostiziert, dass die CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe im Jahr 2024 leicht auf 4,777 Milliarden Tonnen zurückgehen werden, nach 4,791 Milliarden Tonnen im Jahr 2023. Dieser Rückgang ist hauptsächlich auf die sinkende Nutzung von Kohle und Öl zurückzuführen.
Für das Jahr 2025 erwartet die EIA jedoch wieder einen leichten Anstieg der Emissionen auf 4,794 Milliarden Tonnen, da die Nutzung von Kohle und Öl voraussichtlich wieder zunehmen wird. Diese Entwicklung unterstreicht die Herausforderungen, die mit der Dekarbonisierung der Energieversorgung verbunden sind. Obwohl der Einsatz erneuerbarer Energien und Erdgas die Emissionen kurzfristig senken kann, erfordert eine langfristige Reduktion der CO₂-Emissionen weitergehende Massnahmen, darunter den verstärkten Einsatz von emissionsfreien Technologien und die Einführung strengerer regulatorischer Rahmenbedingungen.
Fazit: Ein Markt im Wandel
Der US-amerikanische Erdgasmarkt steht vor einer Phase des Wandels, die durch ein komplexes Zusammenspiel von steigender Nachfrage, sinkender Produktion und wachsenden Exportmöglichkeiten gekennzeichnet ist. Die Reduktion der Bohraktivitäten und die leicht sinkende Produktion im Jahr 2024 sind eine direkte Reaktion auf die niedrigen Preise, die Anfang 2023 zu beobachten waren. Gleichzeitig wird jedoch die steigende Nachfrage, sowohl im Inland als auch auf den internationalen Märkten, den Markt langfristig stabilisieren und die Produktion in den folgenden Jahren wieder ankurbeln.
Tabelle: Prognosen für den US-amerikanischen Energie- und Emissionssektor
Jahr | Erdgasproduktion (bcfd) | Erdgasnachfrage (bcfd) | LNG-Exporte (bcfd) | Kohleproduktion (Mio. Tonnen) | CO₂-Emissionen (Mrd. Tonnen) |
---|---|---|---|---|---|
2023 | 103,8 | 89,1 | 11,9 | 577,5 | 4,791 |
2024 (Prognose) | 103,5 | 90,1 | 12,1 | 510,0 | 4,777 |
2025 (Prognose) | 104,6 | 89,1 | 13,8 | 484,6 | 4,794 |
Quellen
- U.S. Energy Information Administration (EIA): Short Term Energy Outlook, Oktober 2023
- EIA Pressemitteilung vom 10. Oktober 2023
- Weitere wirtschaftliche und marktspezifische Daten entnommen aus aktuellen Berichten zur Energiepolitik der USA.
Foto von Chad Peltola auf Unsplash