• Home
  • Entwicklung und aktueller Status der Erdgaspreise in der EU: Ein Blick auf Norwegen, Russland, die USA und andere Lieferländer
Foto von Seth kane auf Unsplash

Entwicklung und aktueller Status der Erdgaspreise in der EU: Ein Blick auf Norwegen, Russland, die USA und andere Lieferländer

Die Energieversorgung der Europäischen Union (EU) steht seit Jahren im Fokus politischer und wirtschaftlicher Diskussionen. Erdgas, als einer der zentralen Energieträger, spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Die Erdgaspreise sind dabei nicht nur für die europäische Industrie von enormer Bedeutung, sondern auch für die Haushalte. In diesem Artikel werden die Entwicklungen und aktuellen Preisniveaus der Erdgaslieferungen aus den wichtigsten Exportländern nach Europa, insbesondere Norwegen, Russland, den USA und anderen, beleuchtet. Zudem wird eine Prognose über die zukünftige Preisentwicklung gegeben, unter Berücksichtigung verschiedener geopolitischer Szenarien, wie etwa dem Ausgang des Ukraine-Kriegs.

1. Historische Entwicklung der Erdgaspreise in der EU

Die Erdgaspreise in Europa haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, was auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen ist. Historisch gesehen war Russland der wichtigste Lieferant von Erdgas für die EU, wobei langfristige Verträge zu relativ stabilen Preisen führten. In den letzten Jahren gab es jedoch signifikante Preisvolatilität, die durch geopolitische Spannungen, Änderungen in der Nachfrage und das Angebot neuer Lieferanten ausgelöst wurde.

In den 1990er und frühen 2000er Jahren waren die Preise relativ stabil. Dies änderte sich jedoch mit dem globalen Aufstieg von Flüssigerdgas (LNG) und dem zunehmenden Wettbewerb auf dem Weltmarkt. LNG ermöglichte es der EU, ihre Abhängigkeit von Pipeline-Gas aus Russland zu verringern, was zu einer Diversifizierung der Lieferländer führte.

Tabelle 1: Historische Entwicklung der Erdgaspreise in der EU (in €/MWh)

Jahr Durchschnittspreis EU (€/MWh) Anteil Russland (%) Anteil Norwegen (%) Anteil USA (%) Anteil Andere (%)
2000 15 55 20 0 25
2010 20 50 25 0 25
2020 30 40 30 5 25
2022 120 30 35 10 25

Die Tabelle zeigt, dass die Abhängigkeit der EU von russischem Erdgas über die Jahre kontinuierlich abgenommen hat, während Norwegen und die USA an Bedeutung gewonnen haben. Insbesondere seit 2022, dem Jahr, in dem der Ukraine-Krieg eskalierte, sind die Preise aufgrund der Unsicherheit und reduzierter Lieferungen aus Russland stark angestiegen. Wohl wissend, dass weniger Lieferungen an den Verträgen der EU lag und dann durch die Zerstörung der drei Röhren von Nord-Stream 1 & 2 behindert wurde und werden.

2. Preisunterschiede zwischen den Lieferländern

Ein wesentlicher Faktor für die Preisgestaltung von Erdgas in Europa ist das Herkunftsland. Die unterschiedlichen Produktions- und Transportkosten sowie politische Rahmenbedingungen führen zu signifikanten Preisunterschieden.

2.1 Russland

Russland war lange Zeit der grösste Erdgaslieferant der EU. Aufgrund der geopolitischen Spannungen, vornehmlich seit der Aufnahme der Krim im Jahr 2014 und dem anschliessenden Krieg in der Ukraine, haben die Preise für russisches Erdgas stark geschwankt. Die Abhängigkeit der EU von russischem Gas wurde als politische Schwäche betrachtet, was zu Bemühungen führte, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Im Jahr 2022 lagen die Preise für russisches Pipeline-Gas, das über die Nord-Stream-Pipelines geliefert wurde, bei etwa 80 €/MWh. Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und den westlichen Sanktionen stiegen diese Preise jedoch deutlich an. Gründe gibt und gab es dafür viele. Zum einen wurden die Lieferungen technisch unmöglich gemacht, zum anderen wurden Anschlussaufträge nicht geschlossen oder verzögert.

2.2 Norwegen

Norwegen ist der zweitgrösste Erdgaslieferant der EU und gilt als stabiler und verlässlicher Partner. Die Erdgaspreise aus Norwegen liegen tendenziell höher als die aus Russland, was vor allem auf höhere Produktions- und Transportkosten zurückzuführen ist. Im Jahr 2022 betrug der durchschnittliche Preis für norwegisches Erdgas etwa 90 €/MWh. Norwegen profitierte von der Verunsicherung auf dem Markt und konnte seine Exporte zu höheren Preisen absetzen.

2.3 USA

Die USA haben sich in den letzten Jahren als bedeutender LNG-Lieferant für die EU etabliert. Die Preise für amerikanisches Erdgas sind stark schwankend, da sie von den globalen LNG-Preisen abhängen, die wiederum durch Angebot und Nachfrage auf den Weltmärkten beeinflusst werden. Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Preis für US-LNG in der EU bei etwa 100 €/MWh, wobei die Preise in Spitzenzeiten aufgrund der hohen Transportkosten und der globalen Nachfrage stark anstiegen.

2.4 Andere Lieferländer

Andere wichtige Lieferländer für die EU sind Katar, Algerien und Nigeria, die vor allem über LNG-Exporte nach Europa gelangen. Die Preise dieser Lieferanten liegen im Durchschnitt bei etwa 110 €/MWh. Diese Länder bieten eine gewisse Diversifizierung, sind jedoch aufgrund der Entfernung und der damit verbundenen Transportkosten oft teurer als Pipeline-Gas aus Russland oder Norwegen.

Tabelle 2: Durchschnittliche Erdgaspreise 2022 nach Lieferland (in €/MWh)

Lieferland Durchschnittspreis (€/MWh)
Russland 80
Norwegen 90
USA 100
Andere 110

3. Zukünftige Preisentwicklungen und Prognosen

Die zukünftige Entwicklung der Erdgaspreise in der EU ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, darunter geopolitische Ereignisse, Änderungen in der globalen Nachfrage und das Angebot neuer Technologien.

3.1 Szenario: Ukraine gewinnt den Krieg

Sollte die Ukraine den Krieg gewinnen und Russland sich gezwungen sehen, seine Position in der europäischen Energiepolitik zu überdenken, könnten sich die Erdgaspreise stabilisieren. Ein Sieg der Ukraine könnte zu einer Wiederaufnahme von Verhandlungen und einem möglichen Ende der Sanktionen gegen Russland führen, was die Erdgaslieferungen aus Russland wieder ankurbeln könnte. Die Preise könnten in diesem Fall moderat sinken, da ein größeres Angebot auf den Markt kommen würde. Prognosen gehen davon aus, dass die Preise in diesem Szenario auf etwa 70 bis 80 €/MWh fallen könnten.

3.2 Szenario: Ukraine verliert den Krieg

Ein Sieg Russlands in der Ukraine würde die geopolitische Lage in Europa weiter destabilisieren und könnte zu einem vollständigen Stopp der russischen Erdgaslieferungen führen. In einem solchen Szenario wäre die EU gezwungen, ihre Importe aus anderen Ländern wie den USA oder Katar drastisch zu erhöhen, was aufgrund der hohen Transportkosten zu einem weiteren Anstieg der Preise führen würde. Die Preise könnten in diesem Szenario auf über 120 €/MWh steigen.

3.3 Langfristige Faktoren und der Einfluss erneuerbarer Energien

Langfristig wird der Ausbau erneuerbarer Energien eine entscheidende Rolle spielen. Die EU hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt, die eine Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen erfordern. Der verstärkte Einsatz von Wind-, Solar- und Wasserkraft könnte die Nachfrage nach Erdgas mittelfristig reduzieren und somit den Preisdruck mindern. Dennoch wird Erdgas als Übergangsenergiequelle bis zur vollständigen Dekarbonisierung weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Tabelle 3: Prognostizierte Erdgaspreise bis 2030 (in €/MWh)

Jahr Szenario Ukraine gewinnt (€/MWh) Szenario Ukraine verliert (€/MWh) Erneuerbare Energien Ausbau (€/MWh)
2025 75 130 90
2030 70 140 80

4. Fazit

Die Erdgaspreise in der EU unterliegen einer Vielzahl von Einflussfaktoren, von geopolitischen Entwicklungen bis hin zur Energiewende. Der Ukraine-Krieg hat die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen, insbesondere aus Russland, erneut in den Fokus gerückt und die Preise auf ein Rekordniveau getrieben. Die Diversifizierung der Lieferländer, vorwiegend durch LNG aus den USA und anderen Ländern, hat dazu beigetragen, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, jedoch auf Kosten höherer Preise.

Die zukünftige Preisentwicklung wird massgeblich davon abhängen, wie sich die geopolitische Lage, vornehmlich in der Ukraine, entwickelt und in welchem Tempo die EU ihre Energiewende vorantreiben kann. Während kurzfristig mit weiterhin hohen Preisen zu rechnen ist, könnte der langfristige Ausbau erneuerbarer Energien zu einer Entspannung auf den Märkten führen.

PS: Die genannten Preise sind CRF

Quellen

  1. European Commission, «EU Energy Market Report», 2023.
  2. International Energy Agency (IEA), «Global Gas Security Review», 2022.
  3. BP Statistical Review of World Energy, 2023.
  4. German Institute for Economic Research (DIW), «Energiepreise und geopolitische Risiken», 2022.
  5. Bloomberg, «European Gas Prices Surge Amid Russian Supply Cuts», 2022.
  6. Reuters, «Norway’s Role in Europe’s Energy Supply», 2023.

Ergänzungen

Die in dem Artikel genannten Erdgaspreise beziehen sich auf CRF-Preise (Cost and Freight), nicht auf FOB-Preise (Free on Board). Zur Klarstellung der Begriffe und ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit Erdgas:

1. FOB (Free on Board)

Der FOB-Preis bezieht sich auf den Preis, der das Erdgas bis zu dem Punkt deckt, an dem es auf das Transportschiff verladen wird, aber ohne die Kosten für den Transport zum Bestimmungshafen oder zusätzliche Versicherungen. Das bedeutet, dass der Käufer alle Kosten und Risiken ab dem Moment der Verladung auf das Transportschiff trägt. Im Fall von Pipeline-Erdgas, das eine andere Lieferstruktur hat, ist der FOB-Preis weniger gebräuchlich, da das Gas durch Rohre direkt zum Käufer transportiert wird und nicht über ein Schiff verladen wird.

Bei Erdgas, das per LNG (Flüssigerdgas) transportiert wird, könnten FOB-Preise Anwendung finden, wenn das Gas an einem Verladepunkt (z.B. einem Exportterminal) verkauft wird und der Käufer für den Transport verantwortlich ist.

2. CRF (Cost and Freight)

CRF-Preise umfassen sowohl die Kosten für das Erdgas als auch die Transportkosten bis zum Bestimmungshafen des Käufers. Dies bedeutet, dass der Verkäufer die Kosten für den Transport übernimmt, während der Käufer für das Entladen und alle weiteren Kosten nach der Ankunft verantwortlich ist.

Im Zusammenhang mit den in Europa importierten Gasen (insbesondere LNG aus den USA und Katar) sowie Pipeline-Gas (wie aus Russland oder Norwegen) sind die angegebenen Preise häufig CRF-Preise, da sie den kompletten Lieferprozess bis zur Übergabe des Gases an den europäischen Empfänger beinhalten. Besonders bei Pipeline-Gasverträgen gibt es spezifische Abmachungen, bei denen der Transport als Teil des gesamten Liefervertrags betrachtet wird, was eine größere Annäherung an CRF-Vertragsmodelle darstellt.

Begründung für die Anwendung von CRF-Preisen:

  • Pipeline-Gas aus Russland und Norwegen: Da Erdgas per Pipeline geliefert wird, beinhalten die vertraglichen Vereinbarungen in der Regel sowohl die Kosten des Gases als auch die Transportkosten durch die Pipelines bis zum Bestimmungsort in der EU. Diese Preise umfassen daher mehr als nur den reinen Gaspreis am Produktionsstandort (vergleichbar mit CRF).
  • LNG aus den USA oder Katar: Bei LNG-Verträgen werden oft CRF-Preise vereinbart, da die Transportkosten von den Lieferländern zu den europäischen LNG-Importterminals integriert sind. Insbesondere bei LNG ist der Transport ein erheblicher Kostenfaktor, der im Preis reflektiert wird.

Preisdefinition der genannten Länder:

  1. Russland: Bei russischem Pipeline-Gas handelt es sich in den meisten Fällen um CRF-ähnliche Verträge, da Gazprom und andere Anbieter die Transportkosten bis zur EU-Grenze tragen. Die in den Artikel genannten Preise (z.B. 80 €/MWh im Jahr 2022) beinhalten typischerweise den Transport nach Europa.
  2. Norwegen: Ähnlich wie bei Russland sind die Preise für norwegisches Pipeline-Gas ebenfalls meist als CRF-Preise zu verstehen, da die norwegischen Gasproduzenten die Lieferung bis zum Endkunden in der EU organisieren.
  3. USA: Beim Export von LNG aus den USA erfolgt die Lieferung oft auf Basis von CRF-Verträgen, insbesondere wenn der Verkäufer für die Frachtkosten verantwortlich ist. Die in den USA geltenden LNG-Preise in der EU von etwa 100 €/MWh (2022) beinhalten daher häufig die Kosten für den Seetransport.
  4. Andere Lieferländer (Katar, Algerien, Nigeria): Bei diesen LNG-Lieferanten ist ebenfalls davon auszugehen, dass CRF-Preise vereinbart sind, da die Verkäufer häufig die Kosten für die Lieferung nach Europa tragen. Die Preise von etwa 110 €/MWh für LNG aus diesen Ländern im Jahr 2022 reflektieren die Gesamtkosten inklusive Transport.

Fazit:

Die in dem Artikel genannten Preise sind als CRF-Preise zu verstehen, da sie die Gesamtkosten für das Erdgas inklusive Transportkosten nach Europa darstellen. Dies gilt sowohl für Pipeline-Gas (Russland, Norwegen) als auch für LNG (USA, Katar, Algerien).

Foto von Seth kane auf Unsplash

Dieser Text auf natural-gas.ch wurde von der GHC GmbH - Online-Marketing, Sursee, Schweiz, erstellt und zur Verfügung gestellt. Das Copyright für diesen Text liegt bei der GHC GmbH, Sursee, Schweiz. Die GHC GmbH bietet Dienstleistungen in den Bereichen Copywriting, Content-Erstellung, SEO und mehr an. Bei Interesse an diesem Text oder der Erstellung hochwertiger Inhalte wenden Sie sich bitte an die GHC GmbH in Sursee.

Leave A Comment